Die Regionalmanagerinnen Steffi Moser und Sandra Schwarz halten ein Schild mit der Aufschrift Multilokalität.
Beitrag
MethodenLabor
Multilokalität
Innviertel-Hausruck
30.04.2020

MULTILOKALITÄT - Vom Leben zwischen Stadt und Land

Menschen leben zunehmend an mehr als einem Ort. Daraus resultieren viele Chancen für den ländlichen Bereich, gleichzeitig wird aber auch Unterstützung in den Gemeinden benötigt. Die Regionalmanagerinnen Stefanie Moser und Sandra Schwarz koordinieren mit der Inn-Salzach-Euregio ein Agenda 21-Impulsprojekt zum Thema "Multilokalität" im Innviertel. Sie erklären im Interview mit der Plattform "Nachhaltig im Innviertel", was damit gemeint ist und welche ersten Projektergebnisse entstanden sind.

Nachhaltig im Innviertel: Die Inn-Salzach-Euregio beschäftigt sich schon längerer Zeit unter dem Titel „StadtLandler“ mit der Frage der Multilokalität. Was kann man sich unter Multilokalität vorstellen? Was sind die wesentlichen Punkte bei diesem Projekt? Wie muss man sich das Vorgehen bei so einem Projekt vorstellen?

Stefanie Moser: Multilokale sind Menschen, die an mehreren Orten daheim sind. Sie schwärmen aus – z.B. aufgrund von Ausbildung, Beruf oder auch Freizeitmotive spielen dabei eine Rolle – fühlen sich aber auch einer zweiten Region/Gegend, meist der Herkunftsgemeinde verbunden. Dieses „heute da und morgen dort“ bezeichnen wir als multilokal. Dies ist ein Lebensstil, der in unserer Gesellschaft zunehmend an Bedeutung gewinnt und auch aufgrund der zunehmenden Mobilität von Daten und Personen lebbar ist. Die Welt rückt zusammen – das ist mittlerweile auch im Innviertel gut spürbar.
 
Sandra Schwarz: Im Innviertel hat sich im Rahmen des Projekts ein engagiertes Netzwerk gebildet, das sich als „StadtLandler“ bezeichnet. Im vergangenen Jahr haben wir gemeinsam mit dem Netzwerk die besonderen Bedürfnisse  und vor allem auch Chancen dieses Lebensstils für die Region erarbeitet. Unter anderem braucht es z.B. im Bereich Arbeiten andere und neue Formen bzw. Rahmenbedingungen um an mehreren Orten gut arbeiten und sich einbringen zu können. Davon profitiert dann beispielsweise auch die Herkunftsregion, da die Multilokalen auch hier vor Ort ihre Erfahrungen und ihr Know-How – sprich ihr Mindset - einbringen können.

Nachhaltig im Innviertel: In Beiträgen werden immer wieder die Vorteile der Multilokalität betont. Welche Vorteile hat eigentlich das ländlich geprägte Innviertel aufgrund dieses Trends? Welche positiven Aspekte ergeben sich für „StadtLandler/innen“ persönlich, aufgrund so eines Lebensstils?

Stefanie Moser: Die Motive unserer StadtLandlerInnen sind sehr vielfältig und individuell. Eines wird aber immer wieder deutlich – Multilokale genießen die Standortvorteile ihrer unterschiedlichen Lebensmittelpunkte und fungieren damit auch als wichtige Brückenbauerinnen und Brückerbauer zwischen ihren Orten. Eine unserer StadtLandlerInnen arbeitet beispielsweise in einem großen internationalen Konzern in der Marketingabteilung - bringt ihr Know-How aber auch bei einem örtlichen Verein ein. Von diesem Wissen und Tatendrang profitieren dann auch ländliche Regionen wie das Innviertel. Da sie bereits Erfahrungen anderswo gesammelt haben, bringen Multilokale spannende Sichtweisen und den „Blick von außen“ herein. Wichtig ist die offene Haltung gegenüber diesem „Neuen“ und dies als Bereicherung wahr zu nehmen.

Nachhaltig im Innviertel: Im Rahmen des Projektes ist ein Film zu diesem Thema entstanden, der auch verschiedene StadtLandler/innen zeigt. Was ist euch in der Auseinandersetzung mit den gezeigten Personen und ihren Projekten wichtig gewesen?

Sandra Schwarz: Uns war wichtig, dass wir mit diesem kurzen Film die Formenvielfalt von Multilokalität darstellen – und wie könnte das besser gelingen, als wenn sich Multilokale selbst porträtieren? Dazu gab es im Herbst 2019 einen Videoworkshop mit den „StadtLandlern“ bei denen die Drehbücher gemeinsam erarbeitet wurden.

Nachhaltig im Innviertel: Eine Gruppierung, die dieses Thema aufgreift, ist der Verein TRAFOS in Ried. Sie eröffnen Anfang 2021 ihr Haus der Nachhaltigkeit in Ried und haben dort auch einen Co-Working Space eingeplant. Was versteht man unter Co-Working Space? Wie wichtig schätzt ihr dieses Thema für uns im Innviertel ein?
 
Stefanie Moser: Wir hatten am 6. März die Gelegenheit uns im Rahmen eines Agenda 21 ThemenLabors intensiv mit dem Aspekt „mutilokalARBEITEN“ auseinander zu setzten. Dabei konnten wir auch gleich die derzeit spannende Dynamik, die das derzeit entstehende Haus der Nachhaltigkeit im Herzen Rieds mit sich bringt, aufgreifen. Dies könnte ein idealer Andockpunkt für Multilokale in der Region Innviertel-Hausruck werden. In CoWorking Spaces teilen sich Menschen/ Arbeitende, häufig Selbstständige oder kleinen Unternehmen und Start-Ups Räumlichkeiten und Arbeitsinfrastruktur. Abgesehen von dieser Infrastrukturthematik bieten diese Räume auch Platz für Gemeinschaft und viel Innovationspotential, weil sich unterschiedliche Leute gegenseitig mit ihrem Wissen unterstützen können.

Sandra Schwarz: Beim Workshop zum Thema „multilokalARBEITEN“ wurde deutlich, dass die Digitalisierung hierbei für den ländlichen Raum eine große Chance bietet. Durch die Überwindung von physischen Distanzen in virtuellen Räumen können wir uns ganz schnell Wissen von überall herholen und auch vom Innviertel aus überall hin liefern. Technisch ist schon viel möglich, nur im Kopf sind wir noch nicht soweit!

Nachhaltig im Innviertel: Ihr engagiert euch selbst für das Haus der Nachhaltigkeit in Ried und seid Mitglied im Verein TRAFOS. Was ist euch in diesem Zusammenhang wichtig? Welche Chancen bietet in euren Augen ein Haus der Nachhaltigkeit?

Moser Stefanie: Das Haus der Nachhaltigkeit kann aus meiner Sicht eine spannende Keimzelle für neue Ideen und Impulse für den ländlichen Raum werden. Es bietet die Chance urbanes Flair und neue Denkansätze aufs Land zu bringen. Auch für die StadtLandler könnte das Haus eine Art „Homebase“ werden, wo sie arbeiten, aber auch ihr Know-how einbringen und ihre Potenziale entfalten können.

Sandra Schwarz: Ich möchte noch etwas ergänzen. Das Besondere an diesem Haus sind für mich auch die Menschen dahinter. An diesem Projekt zeigt sich deutlich was machbar wird, wenn Menschen gemeinschaftlich für etwas brennen und gleiche Ziele verfolgen.

 

Aktuelles aus dem Projekt:

Am 30. April „trafen“ sich erstmals Multilokale der Modellgemeinde Ried zu einem gemeinsamen Austausch und Workshop. Aufgrund der aktuellen Corona-Situation wurde das Treffen als Video-Meeting organisiert. „Die virtuelle Kommunikation ist für Menschen die viel unterwegs sind alltäglich, somit mussten wir nicht lange überlegen, ob der Workshop stattfinden kann.“ so die verantwortliche Regionalmanagerin Stefanie Moser. In einer ersten Kleingruppenarbeit wurden Fragestellungen wie „Was zieht dich immer wieder zurück nach Ried?“ und „Was würde dir dein Leben in Ried als Multilokal lebender Mensch bereichern?“ diskutiert. Mobilität, Andockstellen und (alternative) Ausgehszene wurde als wesentlich zu bearbeitende Schwerpunktthemen für die Multilokalen in Ried identifiziert, vertieft bearbeitet und erste Projektansatzpunkte ausgelotet. In Abstimmung mit der Stadt Ried soll in einem zweiten Workshop Ende Juni gemeinsam an der Themenvertiefung zur Projektrealisierung weitergearbeitet werden und so der Boden für Multilokalität in der Stadt Ried aufbereitet werden.

Podcast Netzwerk Multilokalität

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