Gemeinschaftliche Organisationsmodelle im Agenda.Zukunft Netzwerk
Besonders ländliche Gemeinden sehen sich häufig mit dem Wegfall wichtiger Strukturen im Bereich der Nahversorgung herausgefordert. Die Schließung von Wirtshäusern und Geschäften ist seit vielen Jahren ein zentrales Thema in Agenda.Zukunft-Prozessen. Gemeinschaftliche Organisationsmodelle wie Bürgergenossenschaften oder auch Vereine haben sich in vielen Gemeinden als funktionierende Ansätze bewiesen.
Das typische ländliche Wirtshaus ist vielerorts im Rückzug begriffen – die Gründe dafür sind vielfältig. Wie wichtig der Wirt als Institution für eine Gemeinde ist, zeigt sich oftmals erst, wenn das letzte Gasthaus seine Türen schließt. Denn Wirtshäuser sind Orte der Begegnung, des Austausches, der Unterhaltung und damit ein wichtiger sozialer und kultureller Knotenpunkt im dörflichen Geschehen. Durch das Engagement zahlreicher Bürger*innen und der Gründung der Bürgergenossenschaft konnte in Stefan-Afiesl diese Situation abgewendet werden.
Mit dem Stefansplatzerl hat die Gemeinde St.Stefan-Afiesl im Bezirk Rohrbach ein Vorzeigeprojekt geschaffen. Als der letzte Wirt aufgrund der anstehenden Pensionierung die Schließung ankündigte, blieb man vor Ort nicht untätig. Mithilfe eines breiten Bürgerbeteiligungsprozesses wurde 2019 ein Konzept erarbeitet. Ziel war es, ein Modell für ein multifunktionales Gemeinwesenwirtshaus zu entwickeln und Richtung Umsetzung zu führen.
Seit nunmehr fast drei Jahren belebt das Stefansplatzerl den Ort. Am Standort eines ehemaligen Gasthauses sind nun mehrere Funktionen vereint. Neben dem Wirtshaus und dem Panoramacafé inkl. Terrasse und Spielplatz findet man dort auch einen Saal für diverse Veranstaltungen und Feste sowie den Nahversorger, der auch außerhalb der Bedienzeiten mit einem Zutrittssystem mit vielen regionalen Produkten aufwartet. Neben der multifunktionellen Nutzung ist auch die Zusammenarbeit mit Artegra hervorzuheben, wodurch vor Ort auch für Menschen mit Beeinträchtigung Arbeitsplätze geschaffen worden sind.
„Mit dem Stefansplatzerl hat sich einfach sehr vieles zum Positiven verändert. In erster Linie, dass sich wieder mehr tut.“
Alfred Mayr, Bürgermeister St. Stefan-Afiesl
Bürgergenossenschaft St. Stefan
Auch andere Gemeinde stehen nicht selten vor ähnlichen Herausforderungen. Rein gewerblich betriebene Modelle rechnen sich oftmals nicht mehr und die Gemeinde verfügt nicht über die Möglichkeiten, als Betreiberin einzuspringen. Eine Genossenschaft kann hier ein möglicher Lösungsansatz sein. Wenn es darum geht, möglichst viele Personen mit wirtschaftlichen Interessen unter einem Dach zu vereinen, dann ist die Genossenschaft eine gute Organisationsform. Die Mitglieder bringen sich - wie in einem Verein - in die Genossenschaft ein, sie zeichnen Genossenschafts-Anteile, und so werden in Summe auch durchaus hohe Beträge gesammelt.
„Gemeinsam werden Ziele erreicht, die keiner für sich allein erreichen könnte. Das motiviert und spornt die Mitglieder an, große Ziele mit Freude und Lust gemeinsam anzugehen.“ Johannes Brandl, Geschäftsführer Spes Zukunftsakademie und Prozessbegleiter
Weitere Einblicke wie eine Bürgergenossenschaft funktioniert und welche Vorteile aber auch Herausforderungen damit einhergehen, gibt es in der 4. Folge des Podcasts Zukunft.hören sowie im Trendreport WIRzHAUS
Auch in den Gemeinden Vöcklabruck und Ried sorgen gemeinschaftliche Projekte wieder für die Schaffung von Treffpunkten und somit mehr Belebung Mitten in den Zentren. Bei beiden Projekten bekamen Leerstände wieder eine neue und multifunktionale Nutzung. In Ried wurde mit der "Gießerei" in den letzten Jahren ein leerstehendes Gebäude im Rieder Stadtzentrum nachhaltig und sehenswert saniert. Als "Haus der Nachhaltigkeit" belebt es mit zahlreichen Angeboten die Stadt und die Region. Das hauseigene Bio-Café wird von der Genossenschaft gemeinsam mit zahlreichen ehrenamtlich Engagierten selbst betrieben. Am „Marktplatz“ werden regional, nachhaltig produzierte Produkte angeboten. Der offen gestaltete Dachraumausbau, mit spannenden Einblicken in handwerklich vergangene Zeiten, bietet Raum für Veranstaltungen und Events. Das Erdgeschoss beheimatet Geschäftsflächen für nachhaltig orientierte Unternehmen.
In Vöcklabruck haben sich im Agenda-Zukunftsprojekt "Kleinstadt-Biotop" regionale Produzent*innen, Unternehmer*innen und Gastronom*innen zusammengefunden, um einen gemeinsamen wirtschaftlichen Lebensraum für viele Unternehmen zu schaffen. Am Stadtplatz soll in einem Leerstand ein Modell geschaffen werden, das zeigt, wie innovative Unternehmen in Zukunft gemeinsam und erfolgreich wirtschaften können. Auch in diesem Projekt wird eine multifunktionale Mehrfachnutzung angestrebt und durch den Aufbau von Synergien und Kooperationen soll gemeinsam ermöglicht werden, was alleine oft nicht machbar ist. Durch das Mitwirken der Lebenshilfe wird das Kleinstadt-Biotop auch ein sichtbarer Ort der Inklusion. NachPrüfung der Situation vor Ort und der verschiedenen Möglichkeiten,hat man sich beim Kleinstadt-Biotop schlussendlich nicht für die Gründung einer Bürgergenossenschaft entschieden, stattdessen wird das Projekt über einen Verein organisiert.
Weitere Gemeinden und Projekte, die im Rahmen eines Agenda.Zukunft-Prozess Bürgergenossenschaften gegründet haben und an der Umsetzung ihrer Projekte arbeiten: